Zunftschilder
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- Geschrieben von Dr. Ulrike Mertz
Tradition hat Zukunft
Vor einiger Zeit wurde an dieser Stelle der Ausleger des Undosa in Starnberg vorgestellt, einer der schönsten und aufwändigsten Wirtshausausleger im Landkreis. In der bayerischen Raute flattert der Star, der Starnberger Wappenvogel, ein Fischer in Tracht trägt seine Ruder, oben thront ein Bierseidel und vorne glitzern zwei ineinander verschlungene, goldene Fische. Auch dem leseunkundigen Passanten war bei diesem Anblick sofort verständlich: Hier wird Frisches aus dem Starnberger See kredenzt und dazu ein gutes Bier!
Sprechende Nasenschilder
Solche traditionellen Reklameschilder von Gasthöfen und Wirtshäusern, vertikal über Kopf wie eine „Nase“ aus der Hausmauer heraus- und in die Straße hineinragend, waren schon aus größerer Entfernung sichtbar. In früheren Zeiten meist aus Holz und bunt bemalt, kamen mit dem Aufschwung des Bergbaus und der Entwicklung neuer Techniken der Metallverarbeitung teurere, kunstvoller und filigraner gearbeitete schmiedeeiserne Ausleger in Mode, die mit einem Überschwang an Formen und Ornamenten prunkten und oft eine bild- oder symbolhafte Darstellung des Gasthausnamens zeigten. Zu solchen leicht zu identifizierenden Wirtshausauslegern, die zu den Passanten "sprechen", gehört der Ausleger des Gasthofes Karl Poelt in Feldafing, dessen Wirtschaft vermutlich früher einmal "Zum Löwen" hieß.
Verlorenes Wissen
Die Bedeutung vieler der früheren Reklameschilder ging verloren oder wurde vergessen. So z.B. beim Starnberger Haus am hinauf zur Kirche St. Josef führenden Ignaz-Günter-Steig, in dem jetzt die Suchtberatungsstelle Condrob untergebracht ist. Dort hängt über der Haustür eine Laterne an einem schmiedeeisernen Ausleger vom Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in Form eines vornübergebeugten Pferdekopfs, hier konnten also einmal Pferde untergestellt werden. Die Lüftlmalerei an der Stirnseite des Hauses zeigt einen breitbeinig auf einem hölzernen Bierfass sitzender Postillion. In der Linken schwenkt er übermütig sein Horn, in der Rechten einen irdenen Krug. Rechts davon stehen die beiden noch an ihrer Postkutsche angeschirrten Rösser vor einer leeren Futterkrippe: Diese ehemalige Taxis`sche Reichsposthalterei, im Kern ein Haus aus dem 18. Jahrhundert, war im Jahr 1927 noch immer das "Gasthaus zur Post".
Mitte des 20. Jahrhunderts mussten viele der alten Wirtshausausleger modernen Leuchtreklamen Platz machen, wurden abmontiert, verrosteten oder gingen verloren. Erst in jüngerer Zeit wurden sie restauriert, allerdings gelegentlich als reine Dekoration: Der Ausleger der Trattoria Garibaldi in Pöcking zeigt z.B. einen Mann mit Zylinder an einem Lesepult. Garibaldi, der italienische Volksheld, ist es nicht, hier war früher einmal ein Lokal mit dem Namen „Alte Kanzlei“!
Nichtsprechende Zunftzeichen
Keinen Zweifel daran, was auf den Tisch kommt, lassen traditionelle Landgasthäuser wie z.B. die Fischerrosl in St. Heinrich: Die Lüftlmalerei aus der Zeit nach 1950 an der Stirnseite des Gasthauses zeigt den Hl. Petrus, den Schutzheiligen der Fischer und damit ein nichtsprechendes Zunftzeichen. Unter seinem Schutz erlegt links die Rosl, die in ihrem Boot stehende Fischerin, den frischen Fisch eigenhändig mit ihrem Dreizack (diese Fangmethode ist heute nicht mehr gebräuchlich und erlaubt). Rechts hält ihr Gefährte einen gefangenen Fisch fast zärtlich im Arm.
Diese Tradition greift der kunstsinnige Fischer Paul Dechant auf, als er 1983 von Benno Gantner den Hl. Petrus mit den Attributen der Fischer an die Hauswand des Schropp-Anwesens in der Starnberger Hauptstraße 20 malen lässt. 1986 wird dort, wo seit 1577 Brot und ab 1723 Branntwein verkauft wurde, ein Fischfachgeschäft eröffnet, 2001 folgt ein Fischspezialitäten-Restaurant. Auf beides weist seither über der Eingangstreppe ein fein in traditioneller Manier gearbeitetes sprechendes Zunftschild hin.