Nausgschaut

Raus aus dem Alltag und einfach hinaufsteigen. Die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut kitzeln lassen oder dick angezogen über den winterlichen Nebelschwaden stehen. Die letzte sommerliche Abendsonne genießen oder über die herbstliche Farbenpracht der Wälder staunen. Oben stehen und abschalten.

Im Fünfseenland gibt es viele Aussichtspunkte, von denen aus man zu jeder Jahreszeit in die Weite blicken kann und oftmals ungewohnte Blickweisen auf vermeintlich bekannte Gegenden erhält. Manche dieser Stellen sind sehr bekannt, manche fast ein Geheimtipp.

 

Logenplatz mit Fernblick

Logenplatz mit Fernblick Es gibt erhabene Plätze. An denen man sich fühlt wie auf einer ruhigen Drehscheibe. Man sitzt und schaut, langsam rundherum. Und es gibt warme Sommertage, die in wenigen Momenten eine erholsame Auszeit einläuten und einem dank guter Sicht dazu die Berge schenken. Oberhalb der ehemaligen Hirschbergalm an der B2 nach Weilheim ist so ein Platz. Einer, den die Gletscher der Eiszeit mit ihren mächtigen Moränenwällen geschaffen haben. Ein richtiger Logenplatz zum Genießen. Wir sitzen auf der Bank. Hinter uns die hügeligen Relikte der Eiszeit, vor uns nur Weite. Die Ortschaft Pähl liegt unterhalb, im Hintergrund erkennt man die Satellitenschüsseln von Raisting. Die Bäume stehen im saftigen Grün, viele Wiesen sind gemäht, die ersten Getreidefelder stehen kurz vor der Ernte. Leichter Wind frischt an diesem Nachmittag auf. Uns schenkt diese Wetterlage einen Breitformat-Fernblick. Vom Hohenpeißenberg wandert der Blick langsam über das Zugspitzmassiv nach Westen. Außergewöhnliche Eindrücke in außergewöhnlicher Landschaft.

 

Mit den Ohren schauen - Ausblick von Aidenried

Aidenried thumb Augen zu hier oben auf dem Hügel. Der Wind bewegt die Äste der beiden Bäume über mir, die fest miteinander verschlungen das Kreuz mit dem Gekreuzigten umrahmen. Die kleine Anhöhe nördlich von Aidenried hoch über dem Südufer des Ammersees ist ein Ort, an dem man für sich sein kann. Die Stimmen der beiden Spaziergänger, die kurz vor meiner Ankunft aufgebrochen sind, werden schon leiser. Gelächter dringt an mein Ohr, Gespräche verebben, der Traktor links von mir wird gestartet und rollt davon. Dann ist es ganz still. Oder doch nicht. Jetzt höre ich schräg vor mir Vogelstimmen. Weiter weg, in den Schilfzonen des Naturschutzgebietes am Ammer-Delta unterhalb des Moränenhügels, wo die größte Vielfalt an Brutvögeln des Ammersees beherbergt wird. Von hier oben genoss ich schon bei meiner Ankunft das gleißende Abendlicht. Je mehr ich mich jetzt in diesen Augenblick und diesen Ort vertiefe, desto mehr tauche ich ein in diese Akustiklandschaft. Es müssen Hunderte von Vögeln sein, die ich höre. Ein Gekreische teils, teils aber klar definierte Laute. Durch die Augenlider nehme ich die Helligkeit der Abendsonne wahr. Den Kopf etwas weiter gedreht und ich weiß, ich blicke Richtung Dießen und Ammersee. Dieser Ort ist wie eine Insel, die aus dem Alltag ragt. Eine Erholungsinsel, die Auszeit schenkt. Mehr braucht man nicht, um abzuschalten – und das mitten in der Heimat.

 

Wo schon die Maler saßen - die Moräne von Leutstetten

Dieser "Nausgschaut"-Ausflug beginnt mit einem "Neigschaut": Neigschaut in das "Museum Starnberger See", wo im Bildersaal seit Dezember 2008 dank der großzügigen Spende einer Starnberger Familie das Ölgemälde mit dem Titel "Blick von Leutstetten auf den Starnberger See" die Ausstellung bereichert. Es stammt vom deutschen Landschaftsmaler Josef Schoyerer (1844 bis 1923). Dieser hatte sich für seine Staffelei einen Platz ausgesucht, der auch heute noch einen Panoramablick erster Klasse bietet: den Moränenrücken oberhalb der Schlossgaststätte Leutstetten. Hier stehen wir nun in der Frühlingssonne und haben - wie zu jeder Jahreszeit - einen weiten Blick über das Leutstettener Moor auf den Starnberger See. Wir können gut verstehen, dass auch schon andere Maler diese Anhöhe schätzten, darunter Georg Wilhelm Issel, Ludwig Gebhardt, Heinrich Adam oder Josef Wagenbauer. Der Blick ist beeindruckend: Bei klarem Wetter, vor allem bei Föhn, erheben sich das Wetterstein- und Karwendelmassiv am Horizont. Ganz allein ist man hier selten, zu beliebt ist dieser schöne Aussichtspunkt.

Moraene Leutstetten thumbDeutlich erkennt man an der Landschaft den Einfluss der letzten Eiszeit vor circa 20000 Jahren, als das Eis auf der Höhe des heutigen Starnberg eine Mächtigkeit von nahezu 200 Metern hatte. Als es nach mehreren tausend Jahren abgeschmolzen war, füllte sich das vom Gletscher ausgetiefte Becken mit Schmelzwasser: Die Geburt des Starnberger Sees. Einst reichte das Seewasser bis zu den Endmoränen der Würmeiszeit am Nordrand des Moores: Unser Aussichtsberg wurde von diesen Gletschern geschaffen, nach dem Ende der Eiszeit reichte der See bis an seinen Fuß. Das heutige Moor entstand erst später durch Verlandung. Seit 1985 steht es unter Naturschutz. Die Würm erweitert sich auf dem Weg durch das Moor mehrfach zu kleinen Seen, bis sie in das enge Durchbruchstal bei Mühlthal einschwenkt. Foto Museum Starnberger See

 

Vom Trambahnbergerl in die Alpen

TrambahnbergerlEben rauschte noch der Verkehr der Andechser Straße an uns vorbei und jetzt sitzen wir einige hundert Meter abseits auf der kleinen Anhöhe und fühlen uns wie auf einer kleinen Insel. Wir blinzeln in die Sonne, während sich in den Senken noch hartnäckig der Nebel hält. Solche Inseln der Ruhe empfehlen Burnout-Experten, Stressforscher und ganzheitlich denkende Ärzte betroffenen Patienten auch. Man soll sie suchen, finden und ganz dort ankommen. Wir haben sie im westlichen Teil von Söcking in der Nähe der Sandstraße quasi vor der Haustüre. Eine kleine Anhöhe auf der Endmoräne des Würmgletschers, das so genannte Trambahnbergerl.

Besonders im Herbst und Winter, wenn die Bäume kein Laub tragen, kann man hier über die Dächer des Starnberger Ortsteils hinweg in das Voralpenland, das Karwendelgebirge und bei guter Sicht bis in die österreichischen Alpen blicken. Bei Föhn ist die Wirkung noch um einiges dramatischer. Da ragt das Gebirge quasi hinter dem Starnberger See auf. Diese Eindrücke lassen uns innehalten und wir setzten uns gerne auf die Bank, zu der wir von der Südseite her über ein paar Stufen heraufgestiegen sind. Von der Straße ist fast nichts mehr zu hören. Alle Aufmerksamkeit richtet sich nach Süden.

Für viele alte Söckinger ist dieser Sandbichlberg ein Lieblingsplatz, den sie „Trambahnbergerl“ nennen. Gerne erzählen sie die Geschichte, dass hier Anfang des 20. Jahrhunderts eine Straßenbahn für Personen- und Güterverkehr vorgesehen war, die von Starnberg herauf kommend bis zum Ortsende von Söcking fahren sollte. Die Planungen waren schon komplett ausgearbeitet, dennoch scheiterten sie an Missgunst und den zu hohen Kosten. Auch erinnern sich die Söckinger noch mit großem Vergnügen an rasante Schlittenfahrten oder an die ehemalige Kiesgrube neben der Anhöhe, die bestens geeignet war für eine Fahrt mit selbst gebauten Booten oder alten Badewannen. Ein Aussichtsplatz mit Lokalgeschichte eben.

 

Der Jaudsberg bei Breitbrunn

Jaudsberg BreitbrunnSteil erhebt sich der Jaudsberg als mächtiger Moränenrand über der Gemeinde Breitbrunn am Ostufer des Ammersees. Das Gelände konnte dank eines seit 1989 durchgeführten Programms zur Erhaltung und Pflege von Kulturlandschaften in seiner alten Beschaffenheit erhalten werden. Im Einverständnis mit dem Grundbesitzer wird seither die Bewirtschaftung der Streuwiesen durch die Zusammenarbeit der Gemeinde Herrsching, des Bund Naturschutz und beauftragter Landwirte mit einer jährlichen Mahd fortgeführt. So hat die enorme Pflanzenvielfalt der Magerrasengesellschaft auf dem zwölf Hektar großen Grundstück bis heute überlebt. Wiesensalbei, echte Schlüsselblumen, Knollen-Hahnenfuß, Ochsenaugen, Sonnenröschen, Frühlings-Fingerkraut und die verschiedensten Kleesorten sind nur wenige Beispiele für diesen Reichtum.

Von Mitte März bis Mitte August soll zum Schutz dieses Kleinods der mit 617 Metern höchste Punkt des Jaudsbergs nur auf den vorgegebenen Wegen erreicht werden. Hier kann man an der umlaufenden Bank der Europakapelle Platz nehmen. Die Kapelle ist den beiden Slawenaposteln Cyrill und Methodius geweiht, deren Fürbitte dazu beitragen soll, die Völker in Europa „zu einer friedlichen Familie“ zusammenwachsen zu lassen, wie die Widmungstafel verrät. Der zweifache Fahnenwimpel auf dem Dach mit dem Breitbrunner Wappen und der Europafahne unterstreicht diesen Wunsch.

Bei klarem Wetter reicht der Blick im Süden über die silbrig glänzenden Antennenspiegel von Raisting bis zu den Alpen. Mit dem Fernglas entstehen von hier oben zudem auch ungewohnte Blickwinkel auf Utting und Schondorf. Zeit zum Bleiben, bis die Sonne untergeht.

 

Der Johannishügel bei Tutzing

Johannishuegel TutzingWolkenfetzen jagen über den Himmel, gleißendes Licht wechselt mit verblassenden Farben. Ein kräftiger Wind zieht an den Haaren. Nichts kann uns aufhalten. Wir müssen einmal wieder auf den Johannishügel, um über den See zu blicken. Vielleicht gerade jetzt an diesem stürmischen Tag. Auf dem kleinen Trampelpfad, der südlich von Tutzing vom Parkplatz aus auf die Anhöhe führt, kommen uns Spaziergänger mit einem Lächeln entgegen: „Ihr müsst schnell sein, es ist so schön da oben und bald gibt es wieder einen Regenschauer...“. Unter den alten knorrigen Bäumen stehend blicken wir über den Karpfenwinkel und Höhenried direkt auf die Benediktenwand. Ein paar Meter weiter haben wir freie Sicht auf den See. Der Wind peitscht das Wasser auf und zaubert bizarre graue Muster auf seine Oberfläche. Dann lugt auch schon wieder die Sonne hervor.

Ein älteres Paar mit Hund grüßt uns. Eine Familie mit Kindern ist ebenfalls unterwegs und alle wirken hier oben gelassen. Kaum einer nimmt den Weg, der unterhalb des Hügels verläuft. Ob dieser Hügel ein Drumlin ist oder ein Stück einer eiszeitlichen Seitenmoräne, ist nicht geklärt. Wir profitieren jedenfalls von der steil abfallenden Ostflanke, die uns einen herrlichen Ausblick auf den Regenbogen ermöglicht, der in diesem Moment die Seeburg und Allmannshausen auf der anderen Uferseite in ein schillerndes Farbenmeer taucht.

„Das ist mein Lieblingsplatz“ – die Dame auf der Bank am Gebüsch lacht. „Ich komme extra immer aus München hierher, weil es hier wie im Paradies ist….“. Die nette Frau hat Recht.

 

Alpenblick vom Klosterberg

Alpenblick vom Klosterberg Es ist kein Ort paradiesischer Ruhe hier oben am höchsten Punkt des Andechser Klosterberges. Doch gemessen am turbulenten Treiben weiter unten im Bräustüberl oder dem angrenzenden Biergarten ist man doch überrascht, hier ein wenig Auszeit vom Trubel genießen zu können. Und Menschen zu treffen, die schweigen. Schweigen und genießen können. Wie das junge Paar, das Arm in Arm am Geländer lehnt oder den Radfahrer, der den Klosterberg heraufgestrampelt ist, sich durch Unmengen an Fußgängern gequält hat, den steilen Aufschwung zur Klosterkirche geschafft hat und etwas atemlos, aber glücklich über seine gelungene Etappe mit nur drei Menschen neben sich den Blick schweifen lässt.

In der Abendsonne dieses ersten Sommertages seit langem zeigt sich wieder die abwechslungsreiche Schönheit dieser Gegend. Die Sicht reicht über die Häuser von Erling weiter auf die Gebirgskette. Für diese Weite braucht es keine Worte mehr. Längst haben wir auch schon vom lauten Durcheinander der Stimmen der Bier trinkenden Gäste, dem Klirren der Maßkrüge und dem Gedränge am Ausschank abgeschaltet und freuen uns stattdessen, dass an diesem Aussichtspunkt die Büsche zurückgeschnitten worden sind und dieser weite Blick wieder möglich ist.