Das Midgardhaus

MidgardhausDer Blick über See und Berge ist überwältigend, es duftet nach dem Zwiebelrostbraten vom Nachbartisch und aus dem nahen Biergarten klingt Gelächter. Als eine von nur ganz wenigen Seevillen ist das Midgard-Haus der Öffentlichkeit zugänglich, denn hier befindet sich seit gut zwanzig Jahren "Häring's Wirtschaft". Manch einem Besucher kommt das Ambiente seltsam vertraut vor, denn das Haus mit seiner Seeterrasse hat schon mehrfach als Kulisse bei Filmaufnahmen gedient. Entsprechend lang ist die Liste der Berühmtheiten, die sich hier haben bewirten lassen. Neben der üblichen Starnberger-See-Prominenz sowie der Musikgruppe "Die Prinzen" und etlichen echten Prinzen und Prinzessinnen überrascht dann doch, dass auch Charles Bronson und Desmond Tutu hierher fanden.

Dichtervilla

Das Midgard-Haus, die älteste Villa in Tutzing, hat einen ganz anderen Hintergrund als die anderen Landhäuser am See. Bauherr war kein von romantischer Sehnsucht nach ländlicher Idylle getriebener Städter, sondern der ortsansässige Schlossherr Graf Karl Theodor von Vieregg. Ihm diente die kleine Villa im italienischen Landhausstil als Gästehaus. Das Anwesen, damals noch außerhalb des Dorfes Tutzing gelegen, "gilt für eine der schönsten Besitzungen am See und niemand fährt mit dem Dampfboot daran vorüber, ohne es mit Wohlgefallen zu betrachten," schrieb Maximilian Schmidt, Verfasser des Romans "Fischerrosl", der als "Waldschmidt" zu einigem schriftstellerischen Erfolg kam. Dank erheirateten Geldes konnte er die Villa erwerben und hier einige wunderbare Sommer genießen. Überhaupt: Schriftsteller hatten offenbar ein Faible für diesen Landsitz: Einer der späteren Besitzer war der Ägyptologe Georg Ebers, der neben Sachbüchern über das alte Ägypten äußerst erfolgreiche Romane verfasste.

„Das erste Jahr an diesem klaren See,
Im eig’nen Heim, im Schatten eig’ner Bäume;
Mir ist als habe freundlich eine Fee
Verwirklicht meiner Jugend schönste Träume“

reimte er entzückt über seine neue Erwerbung. Ebers machte die Villa zu einem Treffpunkt von Künstlern und Gelehrten. Da er mit Thomas Mann befreundet war, war auch dieser gerne hier zu Gast. Ebers Enkelin, die Schriftstellerin Ina Seidel, erinnerte sich später an ihre Besuche in Tutzing: „Von Zeit zu Zeit brauste eines der großen festlichen Dampfschiffe vorüber, und wir Kinder lagen draußen auf dem vom Gezirp der Maulwurfsgrillen tönenden Thymianrasen oder hockten auf den reglosen Löwen.“ Die Löwen halten bis heute Wacht am See und betonen dabei geschickt die Mittelachse der Villa - was Kindern bei ihrem Spiel gewiss bis heute herzlich egal ist.