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Die Choleraepidemie von 1854

Die Choleraepidemie von 1854

und was sie mit der Niederpöckinger Villenkolonie zu tun hat

1853 ließ König Maximilian II. auf einem Areal nahe Stachus und Bahnhof im Norden des Alten Botanischen Gartens nach Plänen des Architekten August von Voit ein Gebäude für die „Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung“ errichten, die am 15. Juli 1854 eröffnet wurde. 6.588 Aussteller, fast so viele wie an der New Yorker Ausstellung von 1853/54 und Zehntausende Besucher aus aller Welt kamen. Laut Stadtchronik waren „Die Plätze und Straßen um und in der Nähe des Glaspalastes (…) überfüllt an Menschen, so daß es sowohl für die Fuhrwerke als für die Fußgeher schwer wurde, durchzukommen und nur mit äußerster Mühe die Ordnung konnte aufrechterhalten werden. Um 11 Uhr wurden die Thüren eröffnet, der Zudrang lässt sich nicht beschreiben. Jeder Eintretende war sichtbar überrascht von dem, was sich seinem Auge darbot [...]“.

Ein Erfolg, der in eine Katastrophe mündet

Franz Freiherr von Dingelstedt, Dichter, Theaterintendant und Journalist schrieb in den „Münchner Bilderbogen“, einer Serie von Einblattdrucken, die zwischen 1848 und 1898 14-täglich herauskam: „Die erste große Industrie-Ausstellung im neuerbauten Glaspalast war eröffnet worden zum großen Missbehagen der ultramontanen Presse, die längst ein Konzert von Unkenrufen anstimmte. Gleichsam zur Bestätigung zog mit dem Fremdenstrom gleichzeitig die asiatische Seuche ein, um ihre Geisel zu schwingen.“

Bald nach der Eröffnung erkrankten Bedienstete, Ausstellungsgäste und Bürger Münchens an der in Europa wütenden Choleraepidemie, die bis zu einem Temperatursturz am 31. August dauerte. Messegäste und begüterte Münchner verließen fluchtartig die Stadt, die Straßen lagen wie ausgestorben da, und die Ausstellungshallen blieben leer. Die Zustände, so der Chronist, wurden schreckenerregend. Ein schwefelgelber Dampf lag über der Stadt; auf den Straßen sah man nur die bekannten schwarzen Wagen, alle Fremden stoben in panischer Flucht davon. Schwer wie Blei stockte das Blut auch in den Gliedern der Gesunden, als wäre die Luft vergiftet. Die Zahl der Toten stieg allmählich auf hundert und mehr jeden Tag. An einen Freund schrieb Dengelstedt: „In unserem Hause sind heute Nacht wieder fünf gestorben, in meiner Etage allein drei; wenn ich bleibe, komme ich auch an die Reihe. Geh mit mir nach Starnberg, bis Gauting können wir fahren.“

2019 11 Landhaus Perfall
Das spätbiedermeierliche Sommerhaus, das Arnold Zennetti 1855 für den Hofopernintendanten Max von Perfall (1814-1877) erbaute, liegt direkt neben der repräsentativen Villa von Miller. Es ist das kleinste und bescheidenste der Niederpöckinger Villenkolonie

Wenig später hätten sie bis Starnberg fahren können: 1849 war auf Geheiß‘ König Max II. eine „Aktiengesellschaft für den Zweck des Bauens und Betriebes einer Eisenbahn von München nach Starnberg“ gegründet und unter der Leitung von Baurat Ulrich Himbsel, der als Privatmann dafür ein Darlehen aufnahm, die Bahnstrecke gebaut worden. Der Abschnitt von München Starnberger Bahnhof (heute Gleis 27 und 28) über Pasing bis Planegg wurde am 21.Mai 1854 eröffnet, die Verlängerungen nach Gauting am 16.Juli, nach Mühlthal am 16.September und nach Starnberg am 28.November.

Eine Katastrophe, die zum Erfolg führt

Bereits 1836, als fast die Hälfte der an Cholera erkrankten Menschen gestorben war, erkannte der Arzt und Hygieniker Max von Pettenkofer die Ursache der immer wiederkehrenden Seuchen in den Hygienezuständen. Doch seine Versuche, eine geregelte Trinkwasser-Ver- und eine geordnete Abfall-, Fäkalien- und Abwasserentsorgung einzurichten, scheiterten am Geldmangel und am Desinteresse der Politik. Nach dieser zweiten Katastrophe, die 3000 Münchner Bürger das Leben kostete (darunter als prominentestes Opfer die bayerische Königin Therese), wurde eine „Commission für wissenschaftliche Erforschung der indischen Cholera“ installiert und Pettenkofer erreichte, dass die Regierung von Oberbayern die Stadtverwaltung München mit dem Ausbau des Kanalsystems beauftragte.

Arnold Zenetti, der an der Akademie der Bildenden Künste München neben Architektur auch Ingenieurwissenschaften studiert hatte, stand seit 1850 im Dienst der Münchner Stadtverwaltung. Nach Plänen von Friedrich von Gärtner, der 1847 verstorben war, hatte er zusammen mit Karl Muffat von 1851 bis 1853 die an der Blumenstraße am Rande der Altstadt gelegene „Maximilians-Getreide-Halle“ oder „Schrannenhalle“ („Schranne“ volkstümlich für Getreidemarkt) errichtet, den ersten Bau in Eisenkonstruktion in München. Ab 1852 baute er mit nur 28 Jahren die Niederpöckinger Sommerfrische-Villen für die betuchten Münchner Bürger, die der Stadt und ihren Zuständen entfliehen wollten. 10 Jahre später wurde er entsandt, um das Hamburger Kanalnetz zu studieren und verantwortete von 1862 bis 1887 die Durchführung des ersten Kanalisationssystems mit 25 Kanälen in der Münchner Innenstadt. Als Münchner Stadtbaurat seit 1867 beeinflusste Zennetti maßgeblich die städtebauliche Entwicklung der Residenzstadt, wobei er besonderen Wert auf zeitgemäße Wasser- und Energieversorgung sowie Hygiene legte.

Das spätbiedermeierliche Sommerhaus, das Arnold Zennetti 1855 für den Hofopernintendanten Max von Perfall (1814-1877) erbaute, liegt direkt neben der repräsentativen Villa von Miller. Es ist das kleinste und bescheidenste der Niederpöckinger Villenkolonie