Possenhofen – die Geschichte eines Pöckinger Kleinods

Possenhofen – die Geschichte eines Pöckinger Kleinods

PossenhofenSchon der Titel des 2020 erschienenen Buches der Kunsthistorikerin Dr. Gertrud Rank und der Museumsleiterin Rosemarie Mann-Stein verrät es: Hier wird nicht an der von den Drehbuchschreibern der „Sissi-Filme“ erfundenen Legende weiter gestrickt, die auch nach über 50 Jahren alljährlich zur Weihnachtszeit über die deutschen Bildschirme flimmert. Elisabeth, die spätere Kaiserin von Österreich, verlebte ihre Jugend im Schloss Possenhofen, wohin die Familie gewöhnlich vom Frühjahr bis zum Herbst mit Sack und Pack zog, und liebte es ihr ganzes Leben lang. So viel ist und bleibt wahr, erfunden ist allerdings die schmalztriefende Atmosphäre mit der fröhlichen Mutter inmitten ihrer Knödel-essenden Kinderschar und dem zünftigen „Papili“, dem man die Auerhahn-Jagd vermasseln kann. Tatsächlich war Elisabeths Mutter Ludovica eher Alleinerziehende, denn das Herzogspaar führte, ungeachtet der acht überlebenden von zehn Kindern, eine wenig glückliche Ehe. In Abwesenheit des „Zither-Maxl“, dessen Vorliebe der Jagd, dem Theater- und Zirkusspiel und ausgedehnten Reisen galt, genoss Ludovika ihre Blumen und das Wandern mit ihren Hunden in Possenhofen.

Aber gleich im Vorwort machen es die Autorinnen klar: Die Zeitspanne, in der Herzog Max in Bayern das Schloss besaß, war weder die bedeutsamste noch die glamouröseste, das Possenhofener Schloss hat vielmehr in seiner langen, wechselvollen Geschichte und mit seinen zahlreichen Besitzern viel spannendere Höhen und Tiefen erlebt. Diese schildert das reich bebilderte Buch auf 90 Seiten ebenso wissenschaftlich fundiert recherchiert wie informativ und unterhaltsam geschrieben und räumt mit einigen falschen Vorstellungen auf, z.B. der, alle Schlossbesitzer müssten sich glücklich geschätzt haben, solch ein Kleinod ihr eigen zu nennen. Wie schon Jakob Rosenbusch, Kanzler der Stände in Bayern und Spross einer reichen Münchner Patrizierfamilie, der auf seiner 1511 erworbenen Liegenschaft ein günstiges Holzhaus bauen wollte, von Herzog Wilhelm IV. aber gezwungen wurde, ein Gebäude aus Stein und damit das erste Schloss zu bauen, weil der Herzog dieses wie andere Herrensitze für sich nutzen wollte.

Überhaupt die Fürsten!

Kurfürst Ferdinand Maria, unter dem Schloss Possenhofen eine kurze goldene Zeit erlebte, hatte sich 1668 wohl in seinen – wie in den Besitz weiterer Hofmarkschlösser am See – durch „nachhaltiges Ansuchen“ gebracht. So konnte er, in Europa allseits bewundert, die Hirsche seines Forstenrieder Geheges in den See treiben und bequem vom Boot aus „jagen“, sich mit dem Bucentaur, einem ebenso prunkvollen Schiff wie das des Dogen von Venedig, auf spektakuläre Nachtfahrten begeben, am von bengalischen Feuern illuminierten Ufer Kaffee unter türkischen Zelten trinken, kurzum einen nach außen höchst luxuriösen Lebensstil entfalten.

Viele Schlossherren investierten Geld und Geschmack und der Chronist des Sees, Lorenz von Westenrieder, nannte Schloss Possenhofen 1784 „eines der unstreitig ansehnlichsten und prächtigsten Schlösser auf beiden Seiten des Sees“. Als das überaus begüterte Herzogpaar Max und Ludovica in Bayern auf der Suche nach einem passenden Landsitz war, ersteigerte es die Hofmarken Possenhofen und Garatshausen, dazu Pöcking, Feldafing, Wieling, Traubing und Siglfing und wurde der größte Grundbesitzer am See. Sie konnten sich für die Umbaupläne des Schlosses nicht nur den angesehenen Architekten Friedrich von Gärtner leisten, sondern auch die Neugestaltung des weitläufigen Parks, wie damals Mode, im Stil eines Englischen Gartens.

Lohnenswerte Lektüre

Manche Besitzer trennten sich schnell und freiwillig, andere pflegten und erweiterten die Anlage. Akribisch verfolgen die Autorinnen das Schicksal des Schlosses, das 1940 an die Nationalsozialistische Arbeiterwohlfahrt verkauft zunächst Lazarettstadt war, dann Versehrtenkrankenhaus und Flüchtlingsunterkunft, Kuranstalt, Gestüt und Moped-Fabrik und schließlich Eigentumswohnanlage wurde. Amüsante Anekdoten lüften das Geheimnis der Entstehung des über dem Schloss liegenden Kalvarienberges, neueste Forschungen belegen die Herkunft des Altargemäldes in der Fischerkapelle, höchstwahrscheinlich von der Hand des berühmten Peter Candid. Anschaulich entsteht das Bild des bürgerlichen Ortes mit seinen Fischern, Künstlern und Sommerfrischlern, die ab 1854 mit der Eisenbahn im neuen Bahnhof, dem heutigen Kaiserin Elisabeth Museum ankamen und um 1900, zur Blütezeit des örtlichen Fremdenverkehrs, im Gasthaus zum Fischmeister einkehrten.

Die mehr als lohnenswerte, vieles erhellende Lektüre ist erhältlich in der Gemeinde Pöcking, in den Tourist Infos in Starnberg, Herrsching und Dießen.