Der Bismarckturm

Der Bismarckturm in Berg-Assenhausen

Ein aus der Zeit gefallenes Denkmal

Der BismarckturmDie Zeiten, als man den Turm mit dem kupfernen Adler als Spitze den östlichen Moränenkamm des Starnberger Sees bekrönen sah, sind lange vorbei. Seit Jahrzehnten ist der recht dichte Baumbestand am Ostufer so hoch gewachsen, dass es nur wenige Punkte auf dem See oder der westlichen Anhöhe gibt, von dem aus man das Denkmal wahrnimmt. Dabei war der Turm, als er vor 120 Jahren fertig gebaut war, nur umgeben von weitläufigen Wiesen und als Solitär weithin sichtbar.

Im Königreich Bayern war man – ganz im Gegensatz zum Rest des 1871 gegründeten Deutschen Reiches - keineswegs so übermäßig begeistert von dieser neuen Staatsform und damit auch nicht von dessen Gründer Otto von Bismarck. Immerhin war für Bayern als Preis für die Reichsgründung eine deutliche Einschränkung und letztlich der Verlust seiner 1806 erworbenen Souveränität verbunden. Auch wenn König Ludwig II. für die Akzeptanz des preußischen Kaisers privat eine hohe Summe erhielt, war er doch entschieden gegen ein Kaisertum in dieser Form und blieb demonstrativ der Proklamation in Versailles fern, anders als sein Onkel und Nachfolger, der spätere Prinzregent Luitpold.

Der Bismarckturm bei Assenhausen ist der einzige Oberbayerns, einer von 13 in ganz Bayern. Von einst 240 Bismarcktürmen weltweit stehen heute noch 173, allein in der Bundesrepublik 146.

Malerfürst Lenbach und Prinzregent Luitpold als treibende Kräfte

Gegen Ende seines Lebens genoss Bismarck deutschlandweit außerordentliche Popularität. Auch in Bayern wandelte sich in bestimmten Kreisen die Stimmung. So regte 1890 Münchens Malerfürst Franz von Lenbach den Bau eines Turms zu Ehren Bismarcks an - eine Idee, die von Prinzregent Luitpold spontan unterstützt wurde. Zur finanziellen Organisation der Durchführung wurde die „Vereinigung zur Ehrung Seiner Durchlaucht des Fürsten Bismarck“ gegründet, der Prinzregent übernahm das Protektorat und legte mit einer Spende von 5000 Mark ein Fundament vor. Mit den ersammelten Geldern sollte der Grundstückserwerb, der Architekt Theodor Fischer sowie alle Materialien und Handwerker bezahlt werden, darunter der Steinmetz Joseph Floßmann. Das passende Grundstück wurde am Ostufer des Starnberger Sees gefunden. Die Baugenehmigung des Prinzregenten Luitpold erfolgte Ende August 1896, die Einweihung wurde am 1. Juli 1899 gefeiert. Insgesamt kostete der Turm 190.000 Mark und war damit der zweitteuerste des deutschen Reiches.

Ein „mächtiger Turm des auftrumpfenden wilhelminischen Nationalismus“

Der BismarckturmDerart beschrieb Architekt Fischer in seinen ersten Entwürfen das Vorhaben. Der etwa 30 m hohe Turm, ein aus Kalk- und Tuffsteinquadern bestehender Pfeiler, erhebt sich über einem quadratischen Unterbau mit Wandelhalle. Von jeder Himmelsrichtung bieten Freitreppen den Zugang. Die Spitze bekrönt ein nach Norden, also gen Preußen, gerichteter bronzener Reichsadler. Beim nördlichen Aufgang hängt eine bronzene Tafel, auf der in hochpathetischen Versen die Lebensleistung Bismarcks gewürdigt wird. Ein Verständnis für dessen historische Einordnung durch die Initiatoren des Denkmals lässt sich aus den die Tafel rahmenden Häuptern der deutschen Geschichte ablesen, als da keine Geringeren als die Kaiser Otto der Große und Friedrich Barbarossa sowie Beethoven, Dürer und Goethe dargestellt sind. In der Wandelhalle sind in die Wände die Wappen der Bundesstaaten und freien Städte eingemeißelt. Die Reliefs an den Seiten des Turms sind in Anbetracht des seit 1963 bestehenden deutsch-französischen Freundschaftsvertrages nationalistisch und militaristisch gedacht. So stehen unter der Spitze des Turmes auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten die eingravierten Worte „Friede“ (Ost) und „Krieg“ (West). Die Westseite des Denkmals ziert zudem ein Relief, in dem ein Jüngling mit einem kraftvollen Steinwurf einen Drachen besiegt und die Jungfrau befreit, gemeint ist hier die Rückeroberung Elsass-Lothringens infolge des gewonnenen Krieges gegen Frankreich 1870/71. Die Nordseite ist mit einem Relief versehen, das Germania zeigt, die mit ihrem schützenden Mantel die vier Bruderstämme umfasst. An der Südseite des Turms prangt das Wappen Bismarcks im Herzen des Reichsadlers.

Inzwischen sind zwei verheerende Weltkriege und eine lange Friedenszeit über das Denkmal und seinen ideologischen Hintergrund hinweggegangen. Vermutlich ist es eine gute Fügung und fast schon eine „biologische Lösung“, dass die hohen Bäume das martialische Bauwerk inzwischen überragen. Niemand sollte den deutschen Reichsadler zurückhaben wollen oder gar auf Frankreich als Erzfeind mit dem Finger zeigen. Im Gegenteil: nichts sichert den europäischen Frieden mehr als eine tiefe deutsch-französische Freundschaft.